Projektallianzen: Bericht aus der Praxis
Rückblick zum 83. KUB Lunchgespräch
Über Projektallianzen wird viel geredet, umgesetzte Projekte gibt es aber kaum. Am 83. Lunchgespräch der Kammer Unabhängiger Bauherrenberater KUB berichtete Thomas Stocker vom Campus Sursee über die Erfahrungen mit einem dort in Ausführung befindlichen Projekts, für das eine Projektallianz gebildet wurde. Die zahlreichen Fragen im Anschluss zeigten, dass das Thema für die Bauherrenberaterinnen und -berater eine hohe Wichtigkeit hat.
Das traditionelle Abwicklungsmodell für Bauprojekte – auch bekannt als Design-Bid-Build – ist meist mit grossen Friktionen und Leerläufen verbunden. Allianzmodelle, wie etwa die integrierte Projektabwicklung (IPA/IPD) werden seit einigen Jahren als Alternative propagiert, kommen hierzulande trotzdem kaum zur Anwendung. Nicht so beim Campus Sursee: Hier wird mit einem solchen Modell gerade ein Projekt zur Erweiterung und Sanierung eines Schulgebäudes umgesetzt. Der Campus Sursee ist das Ausbildungszentrum des Baumeisterverbandes. Am 83. Lunchgespräch der KUB berichtete Thomas Stocker, Vizedirektor des Campus und Projektleiter auf Bauherrenseite über die Motivation und die ersten Erfahrungen mit dem Allianzmodell. Sein Referat lieferte den Bauherrenberaterinnen und -beratern spannende Erkenntnisse aus dem Planungs- und Baualltag, aber auch viel Diskussionsstoff. Das Wichtigste vorweg: Stockers Erfahrungen sind bis jetzt gut, das Projekt ist auf Kurs und alle heiklen Punkte konnten gemeistert werden. «Für mich als Projektleiter sind die Herausforderungen und der Aufwand aber hoch», sagte Thomas Stocker. So brauche es etwa regelmässige Workshops mit allen Allianzmitgliedern. Da alle beteiligten Planer und Unternehmer sowie die Bauherrschaft über einen einzigen Mehrparteienvertrag miteinander verbunden sind, müssen Entscheide gemeinsam gefällt werden. Das, so Stocker, erfordere eine gute Vorbereitung und Führung der Workshops.
Hohe Transparenz ist für die Beteiligten gewöhnungsbedürftig
Mit knapp sieben Millionen Franken ist das Projekt in Sursee für ein Allianzmodell klein. Die Art der Aufgabenstellung eignete sich gemäss Stocker aber sehr gut für einen Testlauf. Um die Sache einfacher zu halten, habe man zudem nur diejenigen Planer und Unternehmer eingebunden, deren Auftragsvolumen rund 70 Prozent der Baukosten ausmacht. «Wenn die Allianz zu gross ist, wird es kompliziert und das gegenseitige Vertrauen ist schwieriger zu erreichen», sagte Projektleiter Stocker. Die passenden Planer und Unternehmer wurden im Rahmen eines Assessments ausgewählt und haben sich zur kompletten Offenlegung ihrer Kalkulation bis hinunter zu den Personal- und Eigenkosten verpflichtet. «Das ist für alle gewöhnungsbedürftig», sagte Stocker. Im Gegenzug erhalten die Beteiligten eine faire Vergütung, werden bei der Unterschreitung der Baukosten am Erfolg beteiligt, müssen aber bei einer Überschreitung ebenfalls finanzielle Abstriche machen. Ein grosser Pluspunkt ist für Stocker, dass die Unternehmer ihr Know-how von Beginn weg einbringen konnten und so auch einfacher Lösungen gefunden werden konnten: «Der Baumeister beispielsweise hat dank seinen Inputs die Kosten für die Tragstruktur massiv reduziert.» Der grössere Einfluss der Unternehmer zeigt sich auch auf der Honorarseite: Der Aufwand der Architekten ist markant tiefer als bei vergleichbaren Projekten, derjenige der Unternehmer hingegen grösser. Weitere Pluspunkte sind für Stocker etwa die Möglichkeit, schnell auf Herausforderungen reagieren zu können, die hohe Transparenz, der Entfall von Nachforderungen oder die gute Kommunikation. Friktionen gebe es natürlich trotzdem: «Aber wir streiten nicht gegeneinander, sondern mit einem gemeinsamen Ziel – und das macht Spass», sagte Stocker. Ein Allheilmittel sei die Projektallianz ebenso wenig, wie sie sich für alle Projekte eigne, machte er in der anschliessenden ausführlichen Fragerunde deutlich. Bezüglich geeigneten Projekten riet Stocker vor allem solche auszuwählen, bei denen der frühe Einbezug von Unternehmern klar einen Mehrwert liefern kann – unabhängig von der Bausumme. Wichtig sei es auf jeden Fall, früh im Projekt genügend Zeit einzuplanen: «Die Assessments für die Bildung der Allianz brauchen Zeit – auch um sich gegenseitig kennenzulernen und das Vertrauen aufzubauen.» Für den Campus Sursee wird das Thema Projektallianz auch nach der Fertigstellung des Schulgebäudes im Sommer aktuell sein: Bereits im Mai dieses Jahres startet dort nämlich der erste CAS zum Thema «Allianz» in Sursee – die Erfahrungen aus dem hauseigenen Projekt dürften dort dann Thema sein.
Buchtipp zum Thema: Integrated Project Delivery – der Weg zur High Performance, VDF Verlag, 58.-
23.01.2025, Reto Westermann, Kommunikationsbeauftragter KUB