Innovative und zukunftsorientierte Energieversorgungsanlagen für Areale
Rückblick zum 84. KUB Lunchgespräch
Die nachhaltige Energieversorgung grosser Areale muss heute integraler Bestandteil des Masterplans sein. Nur so finden sich Lösungen, die allen ökonomischen und ökologischen Anforderungen genügen. Energie- und Gebäudetechnikspezialist Thomas Wickart zeigte am 84. Lunchgespräch der Kammer Unabhängiger Bauherrenberater KUB am Beispiel des Papieri-Areals in Cham wie man das Thema anpackt und welche Lösungen zum Ziel geführt haben.
Das Areal der ehemaligen Papierfabrik in Cham – Papieri genannt – gehört zu den grossen Entwicklungsgebieten im Kanton Zug. Bis 2035 entstehen hier rund 1000 Wohnungen und ebenso viele Arbeitsplätze. Ein Prozess, der 2020 gestartet wurde und bis zu sechs Bauetappen sowie Investitionen von rund 800 Millionen Franken umfasst. Eine Spezialität des Areals ist die gesamtheitlich gedachte Energieversorgung mit einem vergleichsweise hohen Autarkiegrad von 40 Prozent. Seit Beginn an der Energieversorgung mitgeplant hat Thomas Wickart, Geschäftsführer des Ingenieurbüros für Energie- und Gebäudetechnik AWIAG mit Standorten in Zürich, Zug und Schwyz. Am 84. Lunchgespräch der KUB stellte er das Konzept für die Energieversorgung des Papieri-Areals und die Lehren daraus vor.
Die Versorgung aller Gebäude auf dem Areal erfolgt über zentralisierte Anlagen für die Wärme-, Kälte- und Stromproduktion. Dazu zählen etwa ein Wasserkraftwerk, Fotovoltaikanlagen, Wärmepumpen sowie Netze zur Verteilung. Kombiniert werden diese Anlagen mit Energiespeichern – beispielsweise Batterien oder Geothermiespeicher in Form von Erdsondenfeldern. Durch geschickte Steuerung aller Komponenten lässt sich der Energieverbrauch minimieren, Spitzen können gebrochen und auch Energie für Dritte gespeichert werden. «Das Areal zeigt beispielhaft, welch komplexe Anforderungen die nachhaltige Energieversorgung in diesem Massstab stellt», sagte Wickart. Gescheit gelöst werden könne diese, so seine Erfahrung, nur durch eine ganzheitliche Betrachtung und eine frühzeitige Integration in einen Masterplan: «Man kann nicht einfach einen Architekturwettbewerb durchführen und sich dann später darum kümmern, wie die Gebäude mit Energie versorgt werden sollen», so Wickart. Zudem dürfe nicht die Technologie im Zentrum der Überlegungen stehen, sondern der Systemgedanke.
Nachhaltige Energieversorgung als interessanter Businesscase
Thomas Wickarts Ausführungen zeigten aber auch: Im Rahmen der nachhaltigen Energieversorgung braucht es gescheite Lösungen für die zahlreichen Schnittstellen sowie die etappierte Umsetzung der Energieversorgung. Die Schnittstellen zwischen den Baufeldern und Etappen wurden durch Rahmenverträge für die gesamten Komponenten des Energieversorgungsnetzes optimiert. Ausgeschrieben wurden diese von der Bauherrschaft. Dadurch gebe es trotz der Vergabe der Arbeiten an mehrere Totalunternehmer kein Sammelsurium an technischen Anlagen auf dem Areal, sondern einheitliche Lösungen, so Wickart. Das wiederum vereinfacht die Wartung der Anlagen und ermöglichte auch die Einbindung aller Komponenten der Gebäudeautomation in eine zentrale Steuerung. Diese regelt aufgrund von Erfahrungswerten aus den Verbrauchsdaten sowie dem Wetterbericht die Energieproduktion vorausschauend. So ist etwa sichergestellt, dass nicht genau dann mit den Wärmepumpen heisses Wasser produziert werden muss, wenn auch alle E-Autos an den Ladestationen hängen. Dadurch können Spitzen gebrochen und die Kosten für die Energieversorgung reduziert werden.
Die ans Referat anschliessenden kurzen Workshops zeigten, dass die Lösungen aus dem Papieri-Areal durchaus Antworten auf Fragestellung liefern, mit denen die anwesenden Bauherrenberaterinnen und -berater in ihrem Berufsalltag bei grösseren Projekten konfrontiert sind. Zu den wohl spannendsten Erkenntnissen gehörte sicher, dass Systeme für die nachhaltige Energieversorgung dieser Grössenordnung für Investoren durchaus ein interessantes Businessmodell sein können: «Gerade im Sommer werden wir künftig Stromüberschüsse haben – wenn man diese für die Arealversorgung selber nutzen, oder eine Erweiterung des Systems für die Stabilisierung des Stromnetzes nutzen kann, wird das Businessmodell spannend erweitert.», brachte es Thomas Wickart auf den Punkt. Finanziell interessant ist auf dem Papieri-Areal aber auch die Versorgung der Wohnbauten mit nachhaltig gewonnener Kälte: «Gerade bei hochpreisigen Eigentumswohnungen ist das ein zusätzliches Verkaufsargument», sagte Wickart. Kommt dazu: Gerade bei grösseren Arealen mit unterschiedlichen Nutzungen kann Kälte im Wärmepumpenbetrieb direkt genutzt werden, was die Gesamteffizienz der Energieversorgung massgeblich verbessert.
16.04.2025, Reto Westermann, Kommunikationsbeauftragter KUB